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Interview mit Bernadette Gächter

Was den jungen Frauen und Männern, welche zwangssterilisiert und kastriert wurden angetan wurde, ist ungeheuerlich. Ein Verbrechen des Staates an einzelnen Individuen und ihrem Körper. Ein Übergriff, der Bernadette Gächter als junger, unerfahrener Frau heimtückisch buchstäblich abgeluchst wurde.

netzwerk-verdingt: Was waren für Dich die schlimmsten Momente in diesem Geschehen?
Bernadette Gächter: Ich hatte das Gefühl, die reissen mir die Seele aus dem Körper. Für mich wäre es zentral gewesen, irgendwann ein Kind zu haben, Mutter zu sein. Mit der Zwangssterilisation wird dir das Leben und die Zukunft kaputt gemacht. Es ist ein endgültiger Akt, den niemand mehr rückgängig machen kann. Manchmal bin ich daran fast verzweifelt. Statt Lebensqualität bekam ich Schmerz und Elend serviert. Behörden, Ärzte und Psychiater haben mich mit voller Absicht krank gemacht.

n-v.: Was bewog Dich dazu, Dich weiter persönlich und auch für Mitbetroffene in der Sache zu engagieren?
B.G.: Die Zusammenarbeit 1991 mit der Wochenzeitung (WOZ), die meinen Fall aufnahm und erstmals öffentlich machte, war für mich sehr wichtig.

n-v: Über Deine Geschichte und das, was man Dir von Behördenseite antat, schrieb Jolanda Spirig ein Buch. Was hat es bewirkt?
B.G.: Für mich war es zunächst eine persönliche Aufarbeitung, die Öffentlichkeit stand nicht im Vordergrund. Nach der Publikation bekam ich recht viele positive Reaktionen, die mich darin bestärkten, den Kampf weiterzuführen. Ich erfuhr dabei, dass ich als Einzelperson, etwas bewegen kann.

n-v: Die geforderte Wiedergutmachung wurde vom damaligen Justizminister, Christoph Blocher, 2004 abgeschmettert. Du hast Dich aber nicht unterkriegen lassen. Weshalb?
B.G.: Ich war unglaublich wütend und zornig und beschloss, erst recht weiterzukämpfen. Diese erneute Ablehnung war wie eine Ohrfeige für mich, die mir erneut zeigte, dass man mein Leiden nicht ernst nahm und dass solche Taten von der Politik immer noch gutgeheissen wurden. In meinen Akten steht eine Menge Unsinn. Ich fordere, dass mir dieses ganze belastende Material ausgehändigt wird.

Interview: Walter Zwahlen

Buch Widerspenstig
Widerspenstig: zur Sterilisation gedrängt: die Geschichte eines Pflegekindes, Jolanda Spirig, Verlag: Chronos, Zürich, 2006

Bernadette G. wuchs als Pflegekind in einer frommen Familie auf. Sie sollte auf den rechten Weg gebracht werden, nicht der leiblichen Mutter nachschlagen, die als haltlos und triebhaft abgestempelt worden war. Bernadette wurde mit 18 Jahren bereits Mutter. Ärzte, Psychiater und die Behörden machten Druck, verfassten dubiose Gutachten und drängten die junge Frau zur Abtreibung und Sterilisation. Einer Heimkarriere entging Bernadette nur knapp, Nach Jahren begann sie ihre Lebensgeschichte aufzuarbeiten. Die Journalistin Jolanda Spirig hat über diesen Kampf gegen Vorurteile, Doppelmoral, Anmassung, Verstümmelung und Stigmatisierung dieses Buch geschrieben.