Zeitzeugen

 
Hans Birri

Ich wurde am 30. Dezember 1931 in der kantonalen Frauenklinik in Zürich geboren. Meine Mutter Hermine Kunz (1913* war noch unverheiratet. Mein Vater Johann Birri (1911*), heimatberechtigt in Zeihen AG war ebenfalls noch ledig, anerkannte aber die Vaterschaft. Am 7. Januar bestätigte 1932 er bei der Befragung auf der Vormundschaftsbehörde, dass er sich demnächst mit der ledigen Mutter verheiraten werde. Ich, Hans Birri, wurde inzwischen im Kinderheim Florhof (ZH) untergebracht. Am 18.Februar 1932 wurde ich dann auch als leiblicher Sohn legitimiert. Am 27. Februar 1933 kam meine Schwester Adelheid zur Welt. Am 30. Juli 1935 wurde die Ehe meiner Eltern jedoch geschieden. Das Sorgerecht für die beiden Kinder bekam der Vater.

Ich selber wurde von der Vormundschaft mit 4 Jahren der Pflegefamilie Schneider in Nussbaumen bei Bülach anvertraut, meine Schwester bei Herrn und Frau Gachnang in Zürich. Im Januar 1936 wurde Adelheid von den Pflegeeltern adoptiert. 1938 kam ich als Verdingkind zu Bauern in Marthalen. Am diesem Pflegeplatz in Bülach wurde ich Bettnässer. Dafür wurde ich geschlagen und zu den Kühen in den Stall gesperrt. Der Sohn des Bauern wurde mein Götti. Dieser hatte eine Freundin, Anna Nägeli, zu der ich ab und zu in die Ferien durfte. Sie hatte zwei Geissen, deren Milch ich zu trinken bekam. Mit 6 Jahren wurde ich erneut umplatziert, zum Bauern August Sauter nach Oerlingen/Kleinandelfingen. Dort gab es neben mir noch vier weitere Verdingkinder. Wir mussten dem Bauern auf dem Feld mithelfen. Im Grossen und Ganzen hatte ich es an diesem Pflegeplatz einigermassen gut. Am liebsten kümmerte ich mich um die Kühe.

Mit dem Schuleintritt begann eine neue Leidenszeit. Ich hatte Mühe mit dem Schreiben und Lesen. Der Lehrer war stur und unverständig, bestrafte uns Knaben durch Schläge mit dem Lineal. Weil er trotz dieser Strafen bei mir keinen Erfolg erzielte, stufte er mich als schwererziehbar ein. Mit 9 Jahren wurde ich deshalb ins Erziehungsheim Schloss Kasteln im Kanton Aargau eingewiesen. Dort geriet ich vom Regen in die Traufe. Ich habe sie als traumatische Zeit in Erinnerung. Der Hausvater Schelling und der Lehrer Brüllhart waren üble Schläger. Mitzöglinge, die Bettnässer waren, hatten es gegenüber den beiden Erziehern besonders schwer.

Als ich 14 Jahre wurde, kam ein neuer Lehrer als Stellvertreter ins Heim. Er setzte sich für mich ein, indem er mich nicht als schwererziehbar wahrnahm. Deshalb kam ich an einen neuen Pflegeplatz zum Bauern Herrmann in Marthalen auf der Forch. Dort hatte ich es wieder einigermassen gut. Ein Jahr später kam ich zur Familie Halbheer in Mattwil bei Sulgen im Kanton Thurgau. Sie führte dort das Restaurant Ochsen zusammen mit der Metzgerei. Mit 16 Jahren gab es eine erneute Umplatzierung zur Familie Kempf, Landwirte in Heiligenschwendi im Kanton Bern. Gegen die erneut schlechte Behandlung wehrte ich mich und lief davon. Vorübergehend fand ich eine Ausläuferstelle bei einem Metzger in Thun. Die letzte Fremdplatzierung war bei der Familie Salden in Montreux, Kanton Waadt. Dort durfte ich die Metzgerlehre absolvieren, die ich mit einem guten Resultat beendete.

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Foto:
KEYSTONE/Peter Klaunzer