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Verdingkinder, Portraits von Peter Klaunzer:
Ausstellung des Vereins netzwerk-verdingt im Käfigturm Bern

Peter Klaunzer

Die 25 Portraits von ehemaligen Heim- und Verdingendern, welche der Fotograf Peter Klaunzer für die Fotoagentur Keystone in Absprache mit dem Verein netzwerk-verdingt realisierte, markieren einen wichtigen Schritt hin zur Rehabilitation. Für Keystone haben die Bilder einen grossen Stellenwert, weil solche Aufnahmen von ehemaligen Verdingkinder aufgrund des fortgeschrittenen Alters in wenigen Jahren nicht mehr möglich sein werden. Es ist dazu Hommage an die Portraitierten und stellvertretend ebenso für die vielen Hunderttausenden, welche in den letzten zwei Jahrhunderten unerkannt und ungewürdigt auf der Strecke blieben.

Mit den Fotos treten uns die Protagonisten direkt gegenüber. Sie müssen sich nicht mehr rechtfertigen. Sie zeigen ungeschminkt auch die Spuren, welche das Leben in ihren Gesichtern hinterlassen hat. Jedes Gesicht birgt auch die Fragen: Warum gerade ich? Weshalb musste das ausgerechnet mir passieren? Dahinter verbirgt sich ein langer, schwieriger Selbstfindungsprozess. Die Mehrheit der Portraitierten hat es trotz den miserablen Startchancen in der Kindheit irgendwie geschafft. Über Jahre und Jahrzehnte waren sie in den Augen der Gesellschaft ein Nichts und ein Niemand. Aus eigener Anstrengung und entgegen unzähliger Widerstände und angeblicher unüberbrückbarer Defizite wurden sie jemand, bewiesen sie selber, dass sie jemand sind. Die Zeit des Leidens unter unverschuldeter Schuld und Scham ist endlich vorbei. Dieses ruinöse Verschweigen der Vergangenheit hat ein Ende.

Die Ausstellung bietet auch die Chance auf diese Einzelpersonen zuzugehen. Und jedes Aufeinanderzugehen ist zugleich eine einzigartige Möglichkeit zum Perspektivenwechsel. Es geht nicht nur darum nicht mehr wegzuschauen, sondern endlich hinzuschauen. Jedes dieser Portraits ist Teil einer längst überfälligen Bildspur einzelner Schicksale. Eine Bildspur, die nach Fortsetzung verlangt. Weil für unzählige Nichtgenannte, von Geschichte und Gesellschaft Vergessene die Pflegeorte, die Waisen- und Erziehungsheime zu Vernichtungslagern mutierten. Für die Besucher bietet die Ausstellung eine einmalige Chance zur Begegnung mit Zeitzeugen, die irgendwann nicht mehr greifbar sind. Mit Menschen, die für uns heute Lebende in einer kaum vorstellbaren Misere gefangen waren. Skript und Sprache können dem Besucher einen Einblick in die damalige Lebenswelt gewähren. Solche direkten Kontakte sind während der Ausstellungsdauer mehrfach möglich, weil die Portraitierten vermehrt im Politforum des Bundes anwesend sein werden. Sichtbar, heisst anwesend sein: wer abwesend ist, ist unsichtbar.

Walter Zwahlen

Verdingkinder, Portraits von Peter Klaunzer
Eine Fotoausstellung von Keystone, des Vereins netzwerk-verdingt und des Polit-Forums

9. November 2016 - 30. Juni 2017 (verlängert)
Vernissage: Dienstag, 8.11.2016, 19 Uhr, Anmeldungen unter www.xing-events.com/vk1
Öffnungszeiten:
Mo - Fr 8 - 18 Uhr
Sa 10 - 16 Uhr
Eintritt frei
Ausstellung geschlossen: 28.11.16, 23.12.16 - 8.1.17



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