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Ludwig Brantner, Innsbruck

Ludwig_Brantner

Ludwig Brantner, eines von 12 Kindern einer armen Familie, wo Alkohol und Gewalt das Zepter führten, verbrachte einen Teil seine Kindheit in Pflegefamilien und Heimen im Tirol. Als Jugendlicher und Erwachsener verfiel er über Jahre ebenfalls dem Alkohol. Irgend ein Schutzengel muss ihn vom Untergang und Tod im Suff bewahrt haben. Er entschied sich für eine Entziehungskur und ist seither trocken. Dabei liegt die Erfolgsquote eines solchen Entzugs sehr tief, ein Glücksfall.

netzwerk-verdingt: Wie bist Du eigentlich aufs Schreiben gekommen?
Ludwig Brantner: Als mich mein Sohn Florian, nach 18 Jahren fand, wollte Vera Russwurm zum Vatertag darüber eine ORF - Sendung machen. Nach der Aufnahme wurden wir in ein Heurigen-Lokal in Wien von Vera zum Essen eingeladen. Durch unser Gespräch über meine vergangenen Lebensjahre, sagte ich zu Vera, ich könnte eigentlich ein Buch darüber schreiben. Worauf sie mir zur Antwort gab, dann mach es doch! Ich brauchte natürlich ein paar Jahre, bis ich dieses Buch geschrieben hatte. Mir wurde vom Verlag Skarabaeus bestätigt, dass sie das Buch lektorieren und später auch drucken würden. Ein tolles Angebot, da ich ja sowieso kein Geld hatte, um es selber gestalten und drucken zu lassen.

n-v: In Deiner Autobiografie wird nichts beschönigt. Sie besticht durch ihre Offenheit und Ehrlichkeit. Als ehemaliger Alki, könnte man eher vermuten, bei Dir sei durch das Gift so ziemlich alles gelöscht. Was hat Dir geholfen, wieder klarzukommen und Zeugnis abzulegen.
L.B.: Nach jahrelanger Obdachlosigkeit, mehreren gescheiterten Alkohol - Entziehungskuren fand ich 1998 endlich durch meinen eigenen Willen aus diesem Teufelskreis der Selbstzerstörung heraus. Und zugleich war es für mich die Gelegenheit, die tatsächliche Wahrheit in meinem Buch zu berichten. Ich stand leider " Gottes " kurz vor meinem Tod, als mir ein Primar von der Innsbrucker Klinik zu Verstehen gab "entweder so oder so!“ Das gab den Ausschlag, weshalb ich mich damals für ein anderes Leben entschied.

n-v: Hattest Du Hilfe bei Deinem inneren und äusseren Wiederaufbauprozess, der sicher alles andere als leicht war, oder hat man Dir auch Steine in den Weg gelegt?
L.B.: Meine grösste Hilfe bei der letzten Entziehungskur waren meine Ärztin Dr. Eva Nemec und die Medikamente, die ich zu dieser Zeit nehmen musste. Dass ich durch Herkunft und die schlimmen Erfahrungen in den Heimen in die Gemeinschaft mit Obdachlosen und Alkoholikern getrieben worden war, muss man verstehen. Das sind die Hintergründe weshalb mein Leben so verlief. Aber ich hatte auch sehr viel Hilfe von meinen Kindern und meiner lieben Gerti!

n-v: Nach all der Gewalt, dem wiederholten Fremdplatzieren, der Ablehnung und Stigmatisierung warst Du in einem Teufelskreis gefangen, wo Du nur zwischen die gegen Gesellschaft gerichtete Gewalt und Aggression oder der Selbstzerstörung wählen konntest. Konstruktive Alternativen wurden Euch ja nie gezeigt. Was war bei Dir der Faktor, dass es anders lief?
L.B.: Als Alkoholiker war ich jeweils ein Möchtegern-Grosser. Ich kannte keinen Unterschied zwischen Mann und Frau. Durch die schlimmen Gewalterfahrungen in den Heimen, also von 1967 – 1998 wurde ich selber gewalttätig. Weil ich schon damals des öfteren Alkohol bekam, rastete ich schnell aus. Mein damaliger Lebensstandart war mir völlig egal war, weil ich mich nie um mein Leben kümmerte. So machte ich soviel Schulden, wie es nur ging. Irgendwann hatte ich ca. 1'300’000 Schilling offen. Aber der Alkohol, bog ja scheinbar alles wieder zurecht. Meine Vergangenheit besteht wegen Tätlichkeiten und andern Dummheiten auch aus ca. 7 Jahren Gefängnisstrafen. Aber nun zu den Erfolgen. Heute habe ich aus meinen verschiedenen Ehen vier Kinder von 37, 35, 32 und 24 Jahren. Das hilft mir sehr. Seit 1998, seit ich trocken bin, hat sich sehr viel geändert. Ich habe keine Schulden mehr, jedem Streit gehe ich aus dem Wege und hoffe natürlich, dass ich nie mehr rückfällig werde. Zu meinen Kindern habe ich ein super Verhältnis. Sie wussten ja nicht, dass ich früher einmal obdachlos, alkoholkrank war und auch mit Drogen zu tun hatte. Ich bin sehr froh, dass ich heute ein gutes Zuhause habe, und mich meine Verlobte die Gerti ( die natürlich eine Jugendliebe war ) liebt. Ich denke nur mehr täglich und plane sehr wenig voraus, damit sich mein Leben standardisiert. Ich stelle fest: "leider haben nur Wenige" den Willen, ihr Leben zu ändern. Aber ich verurteile niemand, denn ich selber kam über lange Jahre mit mir selber nicht zurecht.

Kurzlebenslauf:
Autobiografie: Einmal talwärts und zurück, Ludwig Brantner, Skarabaeus Verlag, 2008 Kurzinhalt: Ludwig Brantner kam 1954 als eines von 12 Kindern einer armen Familie zur Welt. Wegen Alkoholismus und Gewalt der Eltern wurde er schon früh für kurze Zeit zu verschiedenen Pflegeeltern gebracht, aber immer wieder zurückgeholt. Eines Tages kam ein Beamter des Jugendamtes mit der Polizei vorbei und brachte Ludwig mit in ein erstes Heim. Nun begann für ihn ein jahrelanges Martyrium mit Gewalt in verschiedenen Heimen. Wenn er es nicht mehr aushielt, flüchtete er wiederholt. Nach der Schulzeit begann er eine Tischlerlehre. Doch schon hatte ihn der Alkohol am Wickel. Über Jahre begann mit ungefähr 19 Jahren seine Odyssee mit zahlreichen kürzeren Jobs, Liebschaften, 3 Ehen und vier Kindern in Österreich und der Schweiz. Immer wieder unterbrochen von Obdachlosigkeit , Alkoholismus, Gefängnisaufenthalten. Mehrere Entziehungskuren fruchteten nichts, bis es 1998 um Leben und Tod ging. Da entschied sich Ludwig für das Leben, beendete das lange Rauschkapitel dank einer Ärztin erfolgreich und ist seither trocken. Beeindrucken ist die schonungslose Offenheit des Autors über seine schlimmen Schicksalsjahre.