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Dokumentieren verborgener Lebenswelten – der Fotograf Werner Haug

Werner Haug

Was hinter Mauern, isolierten Anstalten, Institutionen fernab von Städten oder Dörfern oder in kirchlichen Sozialwerken alles an Ungereimtem passierte, blieb der Öffentlichkeit lange verborgen. Von Gewalt, Isolation, Strafen, körperlichen und medizinischen Übergriffen, Bevormundung und Entrechtung ahnte oder wusste man wenig. In der Öffentlichkeit war das Thema lange ein Tabu. Es waren entweder mutige Einzelpersonen oder engagierte Gruppen, welche Einblick bekamen und Veränderungen forderten. So 1972 der Fotograf Werner Haug.

Kurzlebenslauf:
Werner Haug, 15.12.1951* in Bern
Nach der Matura 1970 absolvierte Werner Haug ein sozialwissenschaftliches Studium. Er arbeitete in der Flüchtlingshilfe des Roten Kreuzes, in der Bundesverwaltung und bei den Vereinten Nationen. Das Fotografieren brachte er sich selbst bei. Seit 1970 macht er Fotoreportagen von und über Mitmenschen in schwierigen Lebensbedingungen. Es gab auch Ausstellungen über seine Projekte.

Veränderte Perspektive
Der amerikanische Film «Einer flog über das Kuckucksnest» mit Jack Nicholson in der Hauptrolle war 1975 eine Sensation und veränderte die Sichtweise auf die Menschen, welche in einer isolierten psychiatrischen Anstalt gefangen waren. Werner Haug bildete die Realität in den Alters- und Pflegeheimen Bärau, Frienisberg, Riggisberg, Utzigen, Worben sowie der psychiatrischen Universitätsklinik Münsingen im Kanton Bern ab. Es sind berührende Momente von Menschen, welche meist durch administrative Verfahren dort eingewiesen wurden und ihre Freiheit verloren. Die meisten Anstalten/Institutionen waren geschlossene Welten, die gegen aussen abgeschirmt wurden. Es galt Arbeitspflicht und strenge Disziplin. Der Zugang blieb Kritikern meist verwehrt, Zensurmassnahmen garantierten, dass keine Infos über die Lebensbedingungen nach aussen gelangten und Unrecht nicht geahndet werden konnte. Bis ein Sinneswandel in Fachwelt und Bevölkerung begann, galten die Insassen meist als Gescheiterte, Gefährliche, Kranke oder groteske Freaks, die eine Schraube locker hatten, und vor denen man die Gesellschaft schützen musste. Ihre Einsamkeit, Abhängigkeit und die aufgezwungenen Lebensbedingungen wurden kaum als menschenrechtswidrige Tatsache wahrgenommen, da die Insassen auf Dauer von der Öffentlichkeit ausgeschlossen waren.

Text: Walter Zwahlen

Publikationen von Werner Haug:

Mitmenschen, Bilder aus geschlossenen Abteilungen staatlicher Alters- und Pflegeheime und einer psychiatrischen Klinik, Z-Verlag, Basel, 1974.


Vol au-dessus d'un nid de coucou ... suisse, Sept mook, No 32, Automne 2020, pages 98-141, Lausanne, www.sept.info


Die Bilder entstanden in den Alters- und Pflegeheimen Bärau, Frienisberg, Riggisberg, Utzigen, Worben, sowie in der psychiatrischen Universitätsklinik Münsingen.
© Werner Haug